"und plötzlich..." - Intervention

Ort: Karlsplatz, 1010 Wien
Zeit: 13. - 29. Januar 2012

Im Januar 2012 finden Passanten, deren Weg über den Karlsplatz führt, Geldbörsen. Was verloren worden zu sein scheint, erweist sich schnell als mit Absicht zurückgelassen - in den Geldbörsen findet sich ein kleiner Geldbetrag und ein Zettel. Dieser Zettel enthält eine Anweisung, was mit dem Geld zu tun ist: Es soll in eine Taxifahrt oder einen Kaffee investiert werden, um dem Wintertag einen Moment zu entkommen. Oder in ein Geschenkt für einen Freund, den man lange nicht gesehen hat - in jedem der vor und im Laufe der Ausstellung ausgelegten Portemonnaies findet sich eine andere Anweisung und mit ihr die Summe, die man braucht, um sie befolgen zu können.

Das Projekt macht sich verschiedene (eher unerfreuliche) Eigenheiten des Alltags zu Nutze: Es lauert dem Alltag entlang der alltäglichen Wege auf, die im Allgemeinen dem Imperativ der Effizienz folgen - in der Hoffnung, den gewohnten Gang der Dinge einen Moment lang ins Stolpern bringen zu können. Zweitens operiert die Aktion mit dem Fakt, dass alltägliche Lebensqualität auch - und sogar ganz wesentlich - eine Geldfrage ist. Dabei ist das Geld auch deshalb als Medium von Alltagsintervention bzw. -Verschönerung interessant, weil es ein Telemedium ist - es ermöglicht, in den Alltag anderer zu intervenieren, ohne selbst in diesem Alltag auftauchen zu müssen. Schließlich wird mit der Aktion ein kollektiver Traum wahr, der gewissermaßen das Ergebnis und die traumlogische Antwort auf das alltägliche Zeit- und Geldregime ist: der Traum, plötzlich und ganz unerwartet zu Geld zu kommen, sei es durch einen Lottogewinn, sei es durch den Fund eines Schatzes oder irgendeinen anderen Zufall. Mit diesem Traum öffnet sich für das Projekt die Lücke, durch die es sich in den Alltag bricht.

Das Projekt arbeitet nicht mit einer Strategie der Konfrontation, operiert nicht von oder mit einer eigenen Position im Außen. Stattdessen gibt es diese Position so weit wie möglich auf: Das Deponieren der Portemonnaies auf der Straße ist ein Akt der Wegelagerei, aber kein Überfall, sondern - im Moment der Entdeckung - ein Ereignis, Versprechen und Verlockung. Ganz unvermittelt bricht dieses Ereignis über den Alltag herein, zumindest im ersten Moment ist unklar, was es ausgelöst hat. Es ist gerade die Ereignishaftigkeit, in der sich die Chance eröffnet, den Alltag von seinen gewohnten Bahnen abzubringen. Und genau um diese Verschiebung, diese Ablenkung geht es.

Die Medien, die dabei benutzt werden, sind das Geld und die Instruktionen zu seiner Verwendung. Beide gemeinsam können kurzzeitig eine andere Ökonomie etablieren - wiederum eine „verschobene“ Ökonomie und weniger ein Gegenmodell. So interveniert das Projekt in die Geldökonomie nicht, indem es den Tausch, der auf Beidseitigkeit beruht, zugunsten eines idealisierten Begriffs des Gabe, die keine Gegenleistung verlangt, auflöst. Vielmehr knüpft es das Geschenk (das gefundene Geld), nicht an eine Gegen-, sondern an die Erbringung einer „Eigenleistung“. Man bekommt Geld, damit man etwas tut, was man sonst nicht getan hätte, das man vielleicht auch gar nicht gewollt hätte, für das man aber zumindest seine Pläne ändern muss. Selbst wenn man sich dieser Planänderung verweigert, so ist doch der Moment, in dem man die Geldbörse aufhebt ein Moment der Unterbrechung, der in Erinnerung ruft, dass es - trotz allem - es immer noch Raum für das Ungewohnte gibt, dass es selbst inmitten aller Selbst- und Zeitmanagement-Routinen noch die Möglichkeit von Ereignissen gibt, die vielleicht nicht das Leben, aber zumindest den Tag verändern können.

im Rahmen von: MIT SOFORTIGER WIRKUNG - Künstlerische Eingriffe in den Alltag - eine Ausstellung der Universität für angewandte Kunst Wien im Rahmen des /ecm-Masterlehrgangs 2010–12

www.mitsofortigerwirkung.at

mehr dazu im Archiv (Objekt 23/1 - 23/7) und im Januar-Logbuch
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